Ich bin Sebastiano Trombetta – seit über zehn Jahren baue ich Vertriebsstrukturen, optimiere digitale Prozesse und arbeite mit Hunderttausenden Leads. In dieser Zeit habe ich eines immer wieder erlebt: Leadqualifizierung wird zu oft automatisiert, durchgescored und am echten Bedarf vorbei entschieden.
In diesem Artikel zeige ich, warum Leadqualifizierung mehr mit Menschenverstand als mit Technik zu tun hat – und wie man mit ein paar klaren Prinzipien, etwas Empathie und gutem Timing deutlich bessere Ergebnisse erzielen kann. Praxisnah, ohne Buzzword-Overkill – dafür mit Beispielen, die jeder aus dem Vertriebsalltag kennt.
Was Leadqualifizierung eigentlich bedeutet
Leadqualifizierung ist kein neues Konzept. Aber im digitalen Vertrieb hat sich die Bedeutung verändert. Während früher ein Vertriebler einfach im Gespräch abklopfte, ob jemand Bedarf hat, übernimmt das heute oft ein Mix aus Software, Datenanalyse und automatisierten Prozessen. Alles richtig – aber auch gefährlich, wenn man dabei das Bauchgefühl ausschaltet.
Definition: Leadqualifizierung ist der Prozess, bei dem potenzielle Kunden anhand definierter Kriterien bewertet werden, um festzustellen, wie wahrscheinlich ein Abschluss ist und ob sich eine Weiterverfolgung lohnt.
Ein Blick auf die zwei häufigsten Lead-Typen zeigt, worauf es ankommt:
| Lead-Typ | Beschreibung | Typische Kriterien |
| MQL (Marketing Qualified Lead) | Hat Interesse gezeigt, aber noch keine Kaufabsicht signalisiert. | Klick auf Werbeanzeigen, Whitepaper-Download, Newsletter-Anmeldung |
| SQL (Sales Qualified Lead) | Zeigt konkretes Kaufinteresse und ist bereit für ein Verkaufsgespräch. | Anruf, Angebotsanfrage, persönlicher Beratungstermin |
Wer die Unterschiede zwischen MQL und SQL versteht, kann Leads besser einschätzen und effizienter bearbeiten. Aber Achtung: Diese Einteilung ist hilfreich, ersetzt aber nicht den Blick fürs Detail. Der Kontext zählt. Und der lässt sich nur verstehen, wenn man sich wirklich mit dem Menschen hinter dem Lead beschäftigt.
Ein empfehlenswerter Praxisleitfaden zur Leadqualifizierung – inklusive Beispiel-Fragen und Prozessmodell – findet sich übrigens bei Salesforce.
Der menschliche Faktor: Kontext schlägt Klickverhalten
Vertrieb funktioniert dann besonders gut, wenn Menschen sich verstanden fühlen. Das gilt auch – und gerade – bei der Qualifizierung von Leads. Denn ein Lead ist nicht einfach nur ein Kontakt mit Name, Alter und Postleitzahl. Hinter jeder Anfrage steht ein Mensch mit Motiven, Fragen, Unsicherheiten und einem ganz eigenen Timing.
Ein klassisches Beispiel: Zwei Leads haben exakt die gleichen Daten – beide 35 Jahre alt, berufstätig, an privater Altersvorsorge interessiert. Lead A hat vor zwei Wochen eine Info-Broschüre angefordert, Lead B vor zwei Stunden das gleiche getan. Laut System sind sie gleichwertig. Aber: Lead A wollte nur „mal reinschauen“, weil sein Kollege davon erzählt hat. Lead B hat gerade einen Versicherungsvergleich abgebrochen, weil er sich nicht sicher war, ob er das Richtige angeklickt hat. Wer ist wohl näher am Abschluss?
Gute Leadqualifizierung erkennt solche Unterschiede. Sie fragt sich:
- Was hat den Interessenten wirklich bewegt, sich zu melden?
- Welche Informationen fehlen ihm noch?
- Ist er gerade im Recherchemodus – oder schon kaufbereit?
Tipp: Nutzen Sie strukturierte Gesprächsleitfäden (wie diese BANT-Methode von Pipedrive), um Bedürfnisse gezielt zu erfassen – aber bleiben Sie flexibel. Der Mensch denkt selten in Checklisten.
Automatisierung ist sinnvoll – solange sie mitdenkt
Tools sind eine enorme Hilfe, keine Frage. Vor allem bei großen Leadmengen ist es ohne automatisierte Prozesse kaum möglich, den Überblick zu behalten. CRM-Systeme, Chatbots, E-Mail-Funnel – all das ist heute Standard und spart Zeit.
Doch Automatisierung ist kein Ersatz für echtes Zuhören. Systeme sortieren aus, was nicht zu den festgelegten Kriterien passt. Und genau da liegt das Risiko: Viele potenziell hochwertige Leads gehen verloren, weil sie sich „nicht richtig“ verhalten.
Typische Automatisierungsfehler:
- Leads ohne Telefonnummer werden gar nicht erst kontaktiert.
- Zu kurze Verweildauer auf der Landingpage = Desinteresse (obwohl der Nutzer einfach schnell liest).
- Kein Klick auf die CTA? Lead wird als kalt eingestuft – obwohl die E-Mail geöffnet und gelesen wurde.
Hier hilft eine einfache Regel: Automatisieren, was sich wiederholt. Hinterfragen, was sich verändert.
Praxis-Tipp: Kombinieren Sie Leadscoring mit individuellen Follow-ups. Tools wie HubSpot Lead Scoring oder ActiveCampaign bieten flexible Modelle, bei denen Sie selbst entscheiden, welche Daten wirklich zählen.
Drei Prinzipien für bessere Leadqualifizierung
Wenn man die vielen Ansätze, Tools und Systeme rund ums Thema Leadqualifizierung einmal auf das Wesentliche herunterbricht, bleiben drei einfache, aber wirkungsvolle Grundsätze übrig:
1. Verstehen statt bewerten
Zahlen, Scores und Filter sind hilfreich – aber sie ersetzen keine echte Einschätzung. Ein Lead ist nicht allein deshalb gut, weil er alle Kästchen auf der Checkliste erfüllt. Und er ist nicht automatisch schlecht, nur weil er „anders“ reagiert. Ein guter Qualifizierer denkt wie ein Coach: Er versucht zu verstehen, wo der Mensch gerade steht – nicht, wo er laut System sein sollte.
2. Timing ist alles
Nicht jeder Lead ist sofort reif für ein Verkaufsgespräch. Viele brauchen etwas Zeit – zum Nachdenken, Vergleichen oder einfach, um sich sicher zu fühlen. Wer Leads zu früh „anfasst“, verbrennt wertvolle Kontakte. Wer sie zum richtigen Zeitpunkt erneut anspricht, erhöht die Abschlusswahrscheinlichkeit dramatisch.
📌 Praxis-Tipp: Legen Sie sich ein Reaktivierungssystem an. Tools wie Mailchimp oder Klaviyo ermöglichen es, Leads zu segmentieren und gezielt nach 2, 4 oder 6 Wochen erneut zu kontaktieren – je nach Verhalten.
3. Nachfragen lohnt sich
Was banal klingt, wird oft vergessen: Viele Leads sind nicht schlecht – sie sind nur unklar. Ein kurzer, klärender Anruf oder eine gezielte Rückfrage per Mail kann Wunder wirken. Gerade im B2B-Bereich ist das persönliche Gespräch oft entscheidend, um Missverständnisse zu vermeiden.
Praxisbeispiel: Von „Low Score“ zu „High Value“
Ein Vertriebsteam hatte über Wochen hinweg eine Handvoll Leads im System, die immer wieder durch das Raster fielen. Keine Telefonnummer, unvollständige Angaben, kein direkter Response. Einer davon: Eine Frau Mitte 30, die sich für Berufsunfähigkeitsversicherungen interessierte – aber nie erreichbar war.
Statt sie endgültig zu löschen, wurde entschieden, ihr eine personalisierte E-Mail zu schicken – ohne Verkaufsdruck, dafür mit echten Informationen: „Was Sie bei BU-Versicherungen unbedingt beachten sollten – auch wenn Sie noch nicht abgeschlossen haben.“ Zwei Tage später kam die Antwort. Sie hatte sich bewusst nicht telefonisch melden wollen, weil sie in Elternzeit war. Die E-Mail zeigte ihr, dass hier jemand wirklich helfen wollte.
Drei Wochen später wurde der Vertrag abgeschlossen – mit ihr und ihrem Partner. Ticketwert: fast fünfstellig.
Lernpunkt: Leadqualifizierung ist kein binäres „Ja oder Nein“. Es ist ein Prozess. Und manchmal reicht ein kleiner Perspektivwechsel, um aus einem unscheinbaren Kontakt einen langfristigen Kunden zu machen.
Im nächsten Schritt folgen noch die letzten beiden Abschnitte: Was schlechte Qualifizierung kostet und ein klares, rundes Fazit. Bereit dafür?
Super, hier kommen die finalen zwei Abschnitte – mit einem realitätsnahen Kostenblick und einem abschließenden Fazit, das den Leser motiviert, Leadqualifizierung neu zu denken.
Was schlechte Qualifizierung wirklich kostet
Viele Unternehmen unterschätzen, was schlechte Leadqualifizierung am Ende wirklich kostet. Es geht dabei nicht nur um verlorene Umsätze – sondern auch um Ressourcen, Motivation und Markenwirkung.
Hier eine einfache Vergleichsrechnung:
| Kennzahl | Gute Qualifizierung | Schlechte Qualifizierung |
| Leads pro Monat | 1.000 | 1.000 |
| Abschlussrate | 12 % | 4 % |
| Durchschnittlicher Dealwert (€) | 1.200 | 1.200 |
| Umsatz/Monat | 144.000 € | 48.000 € |
| Zeitaufwand pro Lead (Minuten) | 15 | 15 |
| Vertriebskosten (Stundensatz 50 €) | 12.500 € | 12.500 € |
Ergebnis: Gleiche Kosten, dreifacher Umsatz – nur durch bessere Einschätzung.
Noch gravierender sind oft die versteckten Verluste:
- Vertriebler, die ständig „falsche“ Leads bearbeiten, verlieren Motivation.
- Interessenten fühlen sich nicht verstanden – und gehen zur Konkurrenz.
- Das eigene Markenbild leidet, wenn Kommunikation wie Fließband wirkt.
Wer also glaubt, Leadqualifizierung sei nur ein „Nice-to-have“, der sollte nochmal nachrechnen – oder mal einen Tag lang dem Vertrieb zuhören.
Fazit: Qualifizieren heißt zuhören – nicht filtern
Gute Leadqualifizierung beginnt nicht mit einem Tool – sondern mit einer Haltung. Wer Leads nur durch Filter jagt, übersieht oft die spannendsten Fälle. Wer aber bereit ist, genau hinzusehen, nachzufragen und den Kontext zu verstehen, wird bessere Gespräche führen – und bessere Kunden gewinnen.
Ich bin überzeugt: Der Mix aus Technologie, Timing und gesundem Menschenverstand ist der Schlüssel zu echtem Vertriebserfolg. Oder anders gesagt: Es braucht weniger KPI-Optimierung und mehr echte Verbindung. Denn letztlich entscheidet nicht der Lead-Score – sondern der Mensch dahinter.






